Mode 1932 - Frau nähte selbst
Die deutsche Frau las zunehmend die gängigen Modezeitungen, in denen Schnittmuster angepriesen werden, die als Anregung dienten, Kleidung selbst herzustellen. Die Arbeitslosigkeit nahm zu, die Not der Bevölkerung wurde größer. Ein bisschen modischer Schick musste handgefertigt werden. Haute Couture für die kleinen Leute. Pariser und Berliner Modelle wurden vorgestellt, an denen sich die Frauen orientierten durften. Der Kauf solcher Garderobe war undenkbar. Also waren hausfrauliches Geschick und Ideereichtum gefragt. Abgetragene Kleidungsstücke wurden der neuesten Mode gemäß geändert. Einen Stoffrest wegzuwerfen, das konnte sich Frau nicht leisten. Schließlich konnte daraus ein Schleifchen oder eine Patte gemacht werden. Ein bisschen dekorativer Schmuck gab den Frauen wenigstens kurzzeitig das Gefühl, dass sie sich gut zu kleiden verstanden.
Der Trend aus Paris zeigte üppige Schulterpartien, eine enge Taille und den Rock in Madeleine Vionnets Schrägschnitt, dessen Saum bis zur Wadenmitte reichte. Die Kreationen der Haute Couture standen aber auch in krassem Gegensatz zu den Verhältnissen, in die Europa durch die weltweite Wirtschaftskrise geraten war. Da gab es beispielsweise die aufwändigen Prinzesskleider, die eine hohe Taille aufwiesen und meist mit einem Bolerojäckchen oder einem kleinen Capes getragen wurden. Elegant, aber elitär und nur für sehr wenige Damen bezahlbar. In den Alltag flossen die empfohlenen Accessoires ein, die Frau nachahmen konnte. Die Schleife war in vielen Varianten der ideale Aufputz. Auch breite Kragen, mit denen sich die Schultern hervorheben ließen, entnahm Frau der Haute Couture. Wenn es schon kein neues Kleid sein durfte, dann doch wenigstens ein Hauch der Luxusmode durch Ausschmückungen. Den Frauen wurde eine große Kreativität abverlangt. Die Haute Couture war gleichfalls uneingeschränkt einfallsreich. In jenem Jahr waren es besonders die Ärmel, die in den unterschiedlichsten Formen an den Kleidern zu bewundern waren. Angefangen von den nach mittelalterlichem Vorbild geschlitzten Keulenärmeln bis zu üppigen Puffärmeln und auch ganz anliegenden Variationen - die Bandbreite war groß.
Alles, was selbst gefertigt werden konnte, musste nicht gekauft werden. Das galt auch für Unterwäsche, die natürlich selbst gestrickt war. Besonders der Einteiler, der durchweg geknöpft werden konnte oder die zweiteiligen Garnituren waren typisch. Diese Unterwäsche hielt warm und war meist aus weicher Wolle gefertigt. Hier beeinflusste die Hausfrau die Haute Couture, die diese Wäsche kopierte und in renommierten Modesalons anbot. Doch sie verdrängte nicht die Seiden-Dessous, die von den begüterten Damen nach wie vor getragen wurden.
Die Herrenkleidung konnte eine Erweiterung verzeichnen. Zu den Anzugjacken und den Figur betonenden Sakkos kam die Weste hinzu, die zweireihig geknöpft wurde. In der Abendgarderobe trug Mann den Frack, zu dem der Zylinder unerlässlich war. Für die sportlichen Anlässe, überhaupt für die Freizeit, favorisierte der modebewusste Herr ein oberschenkellanges Sportjackett, die Norfolkjacke. Die gab es aus Homespun, einem derben Wollstoff, aus Donegal, einem locker gewebten Stoff irischer Herkunft oder aus Tweed, einem schottischen, groben Wollgarngewebe. Passend dazu waren Knickerbocker. Als äußeren Zeichen, dass ein Knabe ins Mannesalter kam, galt die lange Hose. Ansonsten hatten die Jungs sommers und winters stets kurze Hosen mit Kniestrümpfen an. Die wurden auch in den Jugendverbänden der Nationalsozialisten getragen, die bereits in den 20er Jahren entstanden waren. Und während die Jugend organisiert mit einem straffen Lied auf den Lippen marschierte, waren bei den erwachsenen Parteimitgliedern der NSDAP Deutschland verherrlichende Lieder zu hören. Zivil klang das Jahr 1932 anders. Da waren Swing und Jazz angesagt, die mit deutschen Heimatliedern und Schlagern um die Gunst der Zuhörer rangen. In jenem Jahr noch unzensiert. Doch das sollte sich ändern.(MB)
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